Wir leben in unsicheren Zeiten. Heute kann sich Führung oft anfühlen als wenn man Kapitän eines Segelschiffes in einem schweres Unwetter ist. Während man versucht, das Schiff über Wasser zu halten, kämpft man darum, die Orientierung zu behalten, und man weiß nicht, was als nächstes passieren wird.
Denken Sie nur 12 Monate zurück. Im August 2015 hatten wir noch keine Ahnung von einre Reihe von Ereignissen und Trends, die das Geschäft heute beeinflussen. Denken Sie an VWs Diesel-Manipulationsskandal in den USA, der erst im September 2015 enthüllt wurde. Oder die britischen Abstimmung zum Verlassen der EU, von der die meisten Menschen nicht erwartet hatten, dass sie eintritt.
Hat irgendjemand letztes Jahr den gewaltigen Erfolg des ortsbasierten Augmented-Reality-Spiels Pokémon Go erwartet? Es gibt viele weitere Ereignisse und Trends, die im Nachhinein logisch erklärt werden können, die aber vor einem Jahr niemand genau vorhergesagt hat. Und viele scheinbar unzusammenhängende Trends beeinflussen sich gegenseitig, was die Unvorhersehbarkeit weiter steigert.
Willkommen in der VUKA-Welt
Ein anderer Begriff, den Experten verwenden, um unsere aktuelle Phase der Unsicherheit zu beschreiben, ist VUKA, was für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit) steht. Während viele Menschen darin nur eine clevere Bezeichnung für Chaos sehen, beschreiben die vier VUKA-Elemente sehr unterschiedliche Aspekte des Geschehens.
Nehmen wir das Beispiel Brexit. Vor und nach der Abstimmung gab es ein hohes Maß an Unsicherheit, welche genauen wirtschaftlichen Auswirkungen der Brexit auf längere Sicht haben würde. Dennoch führte das Brexit-Votum zu sehr volatilen Reaktionen der Finanzmärkte. Der Austritt aus der EU selbst ist ein sehr komplexer Prozess, der verschiedene Optionen für die künftige wirtschaftliche Beziehung zwischen Großbritannien und der EU-27 bietet.
Betrachtet man es aus britischer Sicht, hat die Abstimmung eine inhärente Mehrdeutigkeit. Denn das Verlassen der EU bedeutet mehr Unabhängigkeit von EU-Verordnungen auf der einen Seite, während es zugleich weniger Zugang zum EU-Binnenmarkt bedeuten könnte, je nach den Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien. Bis jetzt ist noch nicht einmal klar, wann der Austrittsprozess offiziell von der britischen Regierung eingeleitet wird. Nach aktuellem Stand wird es erst 2017 geschehen.
Brexit an sich ist also schon sehr VUKA. Doch obendrein gibt es auch noch andere, teilweise miteinander verbundene Trends und Ereignisse, wie die Flüchtlingssituation oder die Lage in der Türkei, die zum Gesamtbild beitragen. Haben diese Trends und Ereignisse Auswirkungen auf Ihr Geschäft? Sie könnten. Jedoch ist es eher ungewiss, wann und wie.
Wie passt nun diese VUKA-Welt in die ordentliche Welt der traditionellen Geschäftsplanung? Die einfache und ernüchternde Antwort lautet: Sie passt nicht hinein. Strategische Planung, wie wir sie kennen, reicht nicht aus, um mit der VUKA-Welt zurecht zu kommen. Unternehmen, die in unsicheren Zeiten gedeihen wollen, benötigen einen grundlegend anderen Ansatz zur strategischen Führung.
Es gibt drei Prinzipien, die ich für eine VUKA-geeignete strategische Führung als notwendig erachte:
1. Antizipieren Sie Markt- und Technologietrends, Chancen und Risiken.
Dieses Prinzip mag paradox erscheinen. Ist nicht der springende Punkt an VUKA, dass man kaum voraussagen kann was passiert? Und trotzdem sollen Sie Trends antizipieren? Es ist zwar richtig, dass Sie die meisten Ereignisse und Trends kaum mit einem hohen Maß an Sicherheit voraussagen können. Dennoch können Sie sie antizipieren.
Im Fall Brexit hätten Sie für beide möglichen Ergebnisse positive und negative Auswirkungen auf Ihr Geschäft vorausberechnen können. Auf diese Weise würden Sie sich selbst nicht die unmögliche Aufgabe stellen, Ereignisse und Trends vorherzusagen, sondern vielmehr auf mögliche Trends und Ereignisse vorbereitet zu sein.
Stellen Sie sich ein paar Fragen, um Ihre antizipatorischen Sinne zu schärfen:
- Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte?
- Was wäre das Beste, was passieren könnte?
- Was wäre das unerwartetste Ereignis, das passieren könnte?
Indem Sie Ereignisse und Trends so weit Sie können vorwegnehmen, reduzieren Sie die Unsicherheit für Ihr Unternehmen und sind so besser vorbereitet für jede Art von Ereignis, das geschehen könnte.
2. Passen Sie Ihre Strategie erwarteten und unerwarteten Entwicklungen soweit notwendig an.
Durch das Antizipieren von Ereignissen und Trends gewinnen Sie und Ihr Unternehmen ein Verständnis dafür, wie diese sich auf Ihr Unternehmen auswirken können. Basierend auf diesem Verständnis, sollten Sie regelmäßig einschätzen, ob es notwendig ist, Ihre Strategie zu ändern.
Sie benötigen gute kollektive Erfahrungen und ein gutes Urteilsvermögen in Ihrem Führungsteam, um die richtige Balance zwischen Beharren und Wandel zu finden. Nicht jede Veränderung in Ihrem Geschäftsumfeld erfordert, dass Sie Ihre Strategie ändern. Und manchmal müssen Sie proaktiv Ihre Strategie an erwartete Zukunftstrends anpassen, selbst wenn noch kein dramatischer Wandel stattgefunden hat.
In jedem Fall müssen Sie dauerhaft bereit sein, die Strategie Ihrer Organisation anzupassen. Ob Sie tun es, und wie Sie es tun, sollte Gegenstand sorgfältiger Überlegung sein.
3. Handeln Sie agil, um Ihre Strategie anzupassen.
Ihre Unternehmensstrategie anzupassen ist nicht genug. Sie müssen auch sicherstellen, dass dies so rasch wie möglich umgesetzt wird. Um die Zeit von der Aktualisierung der Strategie bis zur Umsetzung zu verringern, müssen Sie agile Strukturen und Prozesse haben. Es hat viele gelehrte Diskussionen über die agile Organisation gegeben. Doch scheinen nur wenige dieser Organisationen zu existieren.
Dennoch wird agile zu sein immer stärker zum entscheidenden Erfolgsfaktor für Unternehmen. Das beinhaltet die Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen auf operativer Ebene. In der heutigen schnelllebigen Geschäftswelt gibt es einfach keine Zeit für hierarchische Entscheidungsprozesse bei operativen Angelegenheiten. Stattdessen sollte eine agile Organisation das Subsidiaritätsprinzip praktizieren, was bedeutet, dass die operativen Entscheidungen so weit wie möglich dort getroffen werden sollten wo sie wirken sollen.
Um das zu erreichen, benötigen Sie Mitarbeiter auf allen Ebenen Ihrer Organisation, die strategisch denken können. Sie müssen das große Ganze sehen und verstehen der welche Auswirkungen ihrer operativen Entscheidungen auf die gesamte Organisation haben. Im Gegenzug sollten sie nicht durch übermäßige Kontrolle von ihren Vorgesetzten behindert werden, um ein gutes Fortschrittstempo der Organisation zu gewährleisten.
Fazit
Die heutige VUKA-Welt setzt die meisten Organisationen und ihre Führungskräfte einem gewaltigen Druck aus. Schneller Wechsel und hohe Unsicherheit stellen Managementfehler noch brutaler als je zuvor bloß. Organisationen, die sich nicht anpassen, riskieren den Niedergang. Durch die konsequente Anwendung der drei oben beschriebenen Grundprinzipien, haben Führungskräfte und ihre Organisationen gute Chancen, erfolgreich durch das stürmische Meer unserer unvorhersehbaren Welt zu segeln.