Schach bietet nützliche Einsichten für den Beruf. Aus Anlass der aktuellen Schachweltmeisterschaft 2014 beleuchte ich in einer Artikelserie verschiedene Business-Lektionen aus dem Königlichen Spiel. Im ersten Teil beschäftige ich mich mit der Wichtigkeit von Resilienz für den Erfolg in Schach und Beruf.
Am 8. November 2014 begann der Schach-WM-Kampf zwischen Weltmeister Magnus Carlsen und Herausforderer Viswanathan (Vishy) Anand im russischen Sotschi. Nach Anands vernichtender 3,5:6,5-Niederlage im letztjährigen Titel-Match im indischen Chennai hätten die meisten Experten nicht erwartet, dass der frühere Weltmeister aus Indien sich für den Titelkampf gegen den norwegischen Weltmeister qualifizieren würde. Und doch schaffte er es.
Angesichts der Tatsache, dass der 23-jährige Carlsen an Nummer 1 in der Weltrangliste des Weltschachverbandes FIDE steht und der 44-jährige Anand an Nummer 6 geben Experten Anand nur geringe Chancen auf den Wiedergewinn des Titels. Nichtsdestotrotz zeigte die 1. Partie des Kampfes am 8. November, dass der Herausforder sich von der Vorjahresniederlage erholt hat, und er zeigte eine beeindruckende Widerstandskraft unter Druck.
In der Eröffnung setzte Anand mit den weißen Steinen Carlsen unter einigen Druck. Carlsen investierte viel Zeit und fand einen präzisen Weg um die Position auszugleichen. In Zeitnot wackelte Anand und machte einige zweitbeste Züge, die Carlsen Gelegenheit gaben, gefährliche Initiative zu entwickeln. Nach der Zeitkontrolle beim 40. Zug fand sich Anand in einer passiven Position, in der sein Gegner gefährliche Drohungen hatte. Viele schwächere Spieler wären unter diesem Druck zusammengebrochen. Anand nicht: Er fand einige versteckte Ressourcen um seinen Turm und seine Dame zu aktivieren. Schließlich fand Carlsen keinen Weg zum Sieg und ließ ein Dauerschach und Remis zu. Anands Resilienz in einer kritischen Situation wurde belohnt.
Die Business-Lektion für Führungskräfte aus dieser Partie und aus Anands Qualifikationsweg zur Weltmeisterschaft ist eindeutig: Wenn man langfristig erfolgreich sein will, muss man angesichts von unvermeidlichen Schwierigkeiten widerstandsfähig sein, sowohl auf persönlicher und auf organisatorischer Ebene.
Bevor ich erörtere, wie Führungskräfte ihre Resilienz stärken können, möchte ich vorher klären, was Resilienz eigentlich ist.
Die American Psychological Association (APA) definiert Resilienz wie folgt: „Resilienz ist der Prozess des guten Anpassens angesichts von Widrigkeiten, Traumata, Tragödien, Drohungen oder erheblichen Stress-Ursachen, wie Familien- und Beziehungsprobleme, ernste Gesundheitsprobleme oder Arbeitsplatz- und finanzielle Stressfaktoren. Es bedeutet sich zu erholen von schwierigen Erfahrungen.“
Der APA-Artikel erklärt des Weiteren, dass Resilienz eher gewöhnlich als ungewöhnlich sei. Das mag zutreffen für das Bewältigen von widrigen Situation im Leben. Nach meiner Erfahrung in Schach und Management ist Resilienz jedoch wesentlich außergewöhnlicher, wenn es darum geht Höchstleistungen unter hohem Wettbewerbsdruck zu erreichen.
APA erwähnt eine Reihe von Faktoren, die die psychische Widerstandskraft fördern. Dazu gehören unterstützende Beziehungen, die Fähigkeit realistische Pläne zu machen und zu verfolgen, ein positives Selbstbild, Kommunikations- und Problemlösungsfähigkeiten sowie die Fähigkeit, starke Impulse und Gefühle zu managen.
Es scheint so, dass positive Gefühle eine sehr wichtige Rolle für den Aufbau von Resilienz spielen. Nach Forschungsarbeiten von Michele M. Tugade und Barbara L. Fredrickson, nutzen resiliente Individuen positive Emotionen um sich von negativen Erfahrungen zu erholen.
Die Frage ist dann, wie man positive Emotionen pflegt. Aus meiner Sicht erfordert es eine Kombination von Achtsamkeit, Disziplin und antrainierten mentalen Prozessen, um unter Druck emotional ausgeglichen zu bleiben. Trotz der emotionalen Achterbahn, die Anand und Carlsen in ihrer ersten Wettkampfpartie durchliefen, erschienen sie emtional ausgeglichen und zuversichtlich. Beide haben in dieser Partie gezeigt, dass sie fähig sind, unter Druck und sich ändernden Umständen zuversichtlich und bestimmt zu handeln.
Führungskräfte sind gut beraten, das gleiche Niveau an Resilienz bei sich selbst sowie ihren Beschäftigten aufzubauen und zu pflegen, um bei den geschäftlichen Hochs und Tiefs auf einem erfolgreichen Kurs zu bleiben.