Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Rezession. Und der deutsche Mittelstand steckt mitten drin. Neben kurzfristigen konjunkturellen Ursachen für die Flaute gibt es auch längerfristige strukturelle Gründe. Mittelständische Unternehmen stehen daher kurz- und mittelfristig vor wachsenden Herausforderungen, die konsequentes strategisches Handeln erfordern.
Welche Herausforderungen das aus Sicht des Mittelstands sind, ermittelt jährlich das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn. Für das Zukunftspanel Mittelstand 2023 hat das IfM 1.109 Unternehmerinnen und Unternehmer zu den Herausforderungen befragt, die sie in der Zukunft erwarten. Das Ergebnis enthält viel Erwartbares, aber auch einige Überraschungen, wie das folgende Diagramm zeigt.
Schauen wir uns die drei meistgenannten Handlungsfelder einmal genauer an.
Akuter Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel wird für den Mittelstand zu einem stetig wachsenden Problem. Schon zum dritten Mal in Folge belegt das Thema mit Abstand den Spitzenplatz im Zukunftspanel Mittelstand. Die demografische Entwicklung mit all ihren Folgen für die Arbeitswelt ist somit das beherrschende Thema. Mehr befragte Unternehmen als je zuvor (44 Prozent) bewerteten dieses Themenfeld als herausfordernd.
Besonders jüngere Unternehmen mit bis zu 10 Jahren Marktpräsenz und Unternehmen mit aktuell guter Ertragslage beschäftigt das Thema. Gerade wachstumsstarke Unternehmen können mangels geeigneter Fachkräfte oft nicht alle Aufträge bearbeiten. Große Sorge bereitet den Unternehmen zugleich die Alterung der Belegschaft und das bevorstehende Ausscheiden von Beschäftigten ohne genügend Nachfolger.
Die Befragten sehen keine einfachen Lösungsmöglichkeiten für das Problem. Den Fachkräftenachwuchs durch Ausbildung heranzuziehen gestaltet sich schwierig, da insbesondere Handwerksunternehmen oft keine geeigneten Bewerber für freie Ausbildungsplätze finden. Auch die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität kann da aus Sicht der Befragten kaum helfen.
Aus meiner Sicht wird das Problem kurz- und mittelfristig nicht ohne den verstärkten Zuzug ausländischer Nachwuchskräfte lösbar sein. Daneben könnten Produktivitätsfortschritte durch effektiveres Management und Digitalisierung für einige Unternehmen interessante Optionen sein, um Personallücken auszugleichen. Oder anders ausgedrückt: mit weniger Leuten mehr schaffen. Das sollte allerdings nicht zu mehr Überstunden und Burnout führen. Es geht stattdessen um höhere Effektivität und Automatisierung.
Wie die relativ beste Lösung für das jeweilige Unternehmen aussehen könnte, sollte die Unternehmensführung nach gründlicher Betrachtung aller verfügbaren Optionen baldmöglichst über ihre mittelfristige Personalstrategie entscheiden, wenn sie es noch nicht getan hat.
Steigender Wettbewerbsdruck
Rund 30 Prozent der befragten Unternehmen betrachten erhöhten Wettbewerbsdruck als Herausforderung. Der wird von den meisten direkt mit dem gestiegenen Kostendruck in Verbindung gebracht. Unternehmen aller Branchen sehen sich konfrontiert mit Kostensteigerungen aufgrund höherer Preise für Rohstoffe, Material, Energie, Produktion und Personal.
Diese Preissteigerungen werden von den Unternehmen als so schwerwiegend wahrgenommen, dass sie ihre nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sehen. Als Hauptkonkurrenten werden vor allem China oder Billiglohnländer genannt.
Interessanterweise glauben nur wenige Unternehmen an kostenunabhängige Möglichkeiten zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Dazu gehören beispielsweise die Gewinnung neuer Kunden, Absatzsteigerungen, Marktausbau oder die Erschließung neuer Geschäftsfelder. Gerade hierin könnten strategische Chancen für Unternehmen liegen, um ihre Marktposition zu verbessern und so den Wettbewerbsdruck kostengünstiger Anbieter aus dem Ausland abzufedern. Das setzt allerdings die Bereitschaft voraus, die eigenen strategischen Optionen systematisch zu erwägen und auf dieser Basis strategische Entscheidungen zu treffen und konsequent umzusetzen.
Teure Energieversorgung
Knapp ein Fünftel der Befragten (19 Prozent) betrachtet Kosten und Sicherheit der Energieversorgung als zentrales Problem- und Handlungsfeld. Damit sieht sich der Mittelstand wie bereits 2022 stärker als der Nicht-Mittelstand von den gestiegenen Energiepreisen betroffen.
Mittelständische Unternehmen sehen nur begrenzte Möglichkeiten, den Druck hoher Energiepreise durch weitere Maßnahmen zur Energieeinsparung oder Prozessverbesserungen abzufedern. Dabei sehen sie nicht nur der Preis, sondern auch die Energiepolitik als Herausforderung. Unternehmen kritisieren vor allem, dass sie keine Klarheit über die Ausgestaltung der Energiepolitik haben. Sie nehmen die zunehmenden Verwaltungsauflagen, mit denen energiepolitische Maßnahmen einhergehen, als unverhältnismäßig wahr. Aus Verdruss über hohe Energiekosten und die deutsche Energiepolitik erwägen vereinzelte Unternehmen die Abwanderung ins Ausland.
Auch hier gilt es, die strategischen Optionen sorgfältig abzuwägen. In vielen Unternehmen sind die Energiekosten kein wettbewerbsentscheidener Faktor. Darüber hinaus bestehen bei einigen Unternehmen noch unausgeschöpfte Potentiale zur Energieeinsparung.
Top-Problemfelder gleich Top-Handlungsfelder?
Angesichts dieser Top-3-Themen stellt sich mir die Frage, ob alle genannten Problemfelder auch wirklich für die Mehrzahl der mittelständischen Unternehmen die Top-Handlungsfelder sind. Zu denken gibt mir in diesem Zusammenhang, dass nur knapp 10 Prozent der Befragten Digitalisierung als relevantes Thema benannt haben. Die Digitalisierung im Mittelstand ist noch stark ausbaufähig. Und sie kann mittelfristig durch höhere Automation und effizientere Abläufe auch einen Lösungsbeitrag zur Top-Herausforderung “Fachkräftemangel” leisten. Interessant ist auch, dass das Thema “Nachhaltigkeit” gegenüber 2022 vom zweiten auf den vierten Platz abgerutscht ist. Nur noch 15 Prozent der befragten Unternehmen halten das für ein relevanten Thema.
Mein Eindruck ist, dass angesichts der Fülle an Herausforderungen jeweils die Themen mit akutem Schmerzfaktor eine hohe Aufmerksamkeit erhalten. Das ist verständlich. Allerdings birgt es auch das Risiko, strategisch kurzsichtig zu handeln.
Strategisch relevante Top-Handlungsfelder identifizieren
Wenn Sie Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens sind, habe ich einen Vorschlag für Sie:
1. Identifizieren Sie im ersten Schritt die drei wichtigsten akuten Problemfelder Ihres Unternehmens.
2. Dann überlegen Sie im zweiten Schritt, was die wichtigsten drei Handlungsfelder sein könnten, in denen Sie mittelfristig aktiv werden sollten, um die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens zu erhalten und zu steigern.
3. Legen Sie im dritten Schritt Ziele und Maßnahmen fest, um kurzfristige Probleme zu lösen und mittelfristig Ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Wenn Sie dazu Gesprächsbedarf haben, kontaktieren Sie mich gern, um einen kostenfreien Kennlern-Termin zu vereinbaren.