In Teil 1 von „Erfolg und Misserfolg im strategischen Management 2015“ hatte ich drei Fälle von meines Erachtens gutem strategischem Management vorgestellt. In Teil 2 konzentriere ich mich jetzt auf Beispiele von schlechtem strategischem Management, die im Jahr 2015 offenbar wurden.
Schlechtes strategisches Management
In der Regel wird schlechtes strategisches Management nur sichtbar für die Öffentlichkeit wenn es zu spät ist, d.h. wenn als Folge schwere Schäden eingetreten sind. Es ist sicherlich gewagt, aus jedem unternehmerischen Scheitern zu schließen, dass schlechtes strategisches Management vorausgegangen sein muss. Während dies häufiger als nicht zutreffen mag, ist es nicht automatisch der Fall. Trotz dieses Vorbehalts kann man dennoch sagen, dass das Jahr 2015 einige spektakuläre Fälle von schlechten strategisches Management bot. Ich habe drei gewählt, die aus meiner Sicht hervorstachen.
Volkswagen
Im September 2015 enthüllte die US-Umweltschutzbehörde EPA, dass der Volkswagen-Konzern Umweltvorschriften für NOx-Emissionen umgangen hatte. Dies geschah über „Abschaltgeräte“ in seinen Dieselmotoren der Volkswagen- und Audi-Modelle der Jahre 2009 bis 2015 (siehe meinen früheren Blogartikel „Fünf strategische Lektionen aus dem VW-Abgasskandal“).
Die systematische Verletzung der Umweltvorschriften in den USA und anderen Ländern offenbarte drastisch einen strategischen Management-Ansatz, dem ein angemessener Sinn für Risiken und Werte fehlte. Der Vorgang zeigte auch Defizite in der Führungskultur des weltweit größten Automobilherstellers. Der Skandal reduzierte den Aktienwert von VW innerhalb von Tagen um die Hälfte. In der Folge trat VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn zurück.
Bis der Skandal aufkam war VW äußerst erfolgreich, und es gab nur wenige Zweifel an VWs strategischem Management. Volkswagen stand für das gute Image deutscher Ingenieurskunst in der ganzen Welt. Durch eine gefährliche Kombination aus Unwissenheit, Selbstgefälligkeit und Hochmut schuf diese Ikone der deutschen Industrie eine schwere Krise.
Das wenig überzeugende Verhalten der VW-Führung unter ihrem neuen CEO Matthias Müller hat nicht zu begrenzen geholfen, was die schlimmste Krise in der Geschichte des Unternehmens sein könnte. Der finanzielle Schaden und die nachteilige Wirkung auf VWs Ruf kann auf schlechte strategische Entscheidungen und Mängel einer hierarchischen Führungskultur zurückgeführt werden, welche revidiert werden müssen, wenn Volkswagen zu seinem früheren Erfolg zurückkehren will.
RadioShack
Vor zwei Jahrzehnten war US-Elektronik-Einzelhändler Radioshack der größte Anbieter von Verbraucher-Telekommunikations-Produkten in der Welt. Im Februar 2015, 94 Jahre nach seiner Gründung, hat das Unternehmen Insolvenzschutz angemeldet. Dies war das Ergebnis eines langen Niedergangs, der rund um den Beginn des neuen Jahrtausends begonnen hatte. Es ist ein Lehrbuchfall für schlechtes strategisches Management.
Radioshack versäumte es, rechtzeitig auf Schlüsseltrends zu reagieren, die das Geschäft des Unternehmens beeinflussten. Das reichte von E-Commerce und dem Eintritt von Konkurrenten wie Best Buy und Amazon.com bis zum Wiederaufleben der Heimwerker-Bewegung. Sobald der Rückgang in vollem Gange war, war er schwer zu stoppen.
Radioshack ist ein warnendes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man technologische Trends und schnell wachsende Konkurrenten ignoriert. Ursächlich für diese Entwicklung ist das Versagen eine Unternehmensstruktur und einen strategischen Ansatz zu schaffen, der es Radioshack ermöglicht hätte, neue Chancen und Bedrohungen zu entdecken, zu reflektieren und sich an sie anzupassen, als noch genügend Handlungsspielraum vorhanden war.
Quirky
Im Gegensatz zu Radioshack, welches vor allem aufgrund einer Kombination aus Selbstzufriedenheit, Unwissenheit und Mangel an Anpassungsfähigkeit gescheitert ist, bildet Quirky ein Beispiel für eine ganz andere Art von strategischem Fehler.
Die Erfinder-Plattform Quirky wurde 2009 gegründet und zog sofort Millionen für die Anschubfinanzierung an. Insgesamt sammelte Quirky in sieben Jahren 156 Millionen Euro von Firmen wie Norwest Venture Partners LP, RRE Ventures, General Electric’s GE Ventures LLC, und Andreessen Horowitz Fund LP ein.
Es ist leicht zu verstehen, warum so viele respektable Anleger an Quirkys Geschäftsidee glaubten, die darin bestand Erfinder über eine Plattform mit Unternehmen zu verbinden, die sich in einer bestimmten Produktkategorie spezialisiert haben. Und das Interesse von Erfindern und Unternehmen war überwältigend: Bis einschließlich August 2015 wurden 280.000 Erfindungen über das Portal von Geschäftspartnern wie General Electric, Mattel, Harman und PepsiCo registriert.
Was das Geschäftsmodell sehr riskant gemacht hat war, dass Quirky die Erfindungen, die es als vielversprechend ansah, gegen Zahlung von Lizenzgebühren an die Erfinder selber herstellte und vermarktete. Anfangs schien dies zu funktionieren – erste Produkte wie Pivot Power, eine flexible Steckerleiste von der mehr als 1,5 Millionen Einheiten verkauft wurden, erwiesen sich als erfolgreich.
Allerdings hatte Quirky keinen richtigen Plan B für den Fall einer weniger glücklichen Produktwahl, wie etwa die digitale Eierablage, die den Verbrauchern sagt, wie viele Eier noch im Kühlschrank sind. Die daraus resultierenden Verluste verschlangen in erschreckendem Tempo Kapital, da die Produktliste von 34 auf 150 wuchs. Quirkys rascher Expansion seiner Geschäftstätigkeit stand kein schlüssiger Ansatz bei der Produktentwicklung gegenüber.
Im Frühjahr 2015 beschloss Quirky, sich aus dem Produktentwicklungsgeschäft zurückzuziehen. Dies löste jedoch nicht die Liquiditätsprobleme des Unternehmens. Als Quirky-CEO Ben Kaufman im August 2015 entlassen wurde, war es schon zu spät, um den Absturz von Quirky aufzuhalten – das Unternehmen beantragte im September 2015 Insolvenz nach Chapter 11.
Quirky zeigt die Risiken für Anleger auf, die eine Wette auf eine brillante, aber riskante Geschäftsidee eingehen. Gutes Risikomanagement und einwandfreie Strategie-Umsetzung sind die Kennzeichen guten strategischen Managements. Quirky zeigte, was mit einer vielversprechenden Geschäftsidee passieren kann, wenn Risiken nicht angemessen und rechtzeitig angegangen werden.
Die meisten Startups scheitern. Aus dieser Sicht wäre Quirky nichts Besonderes gewesen. Was Quirky besonders machte, waren die gewaltigen Beträge, die von über-optimistischen Investoren, die die Anforderungen guten strategischen Management ignorierten, in das Unternehmen gepumpt wurden.