Mittelständische Unternehmen in Deutschland versäumen momentan milliardenschwere Geschäftschancen. Grund: Die meisten Unternehmen betreiben Nachhaltigkeit zu eingeschränkt und ohne ganzheitliche Strategie.
Unausgeschöpftes Nachhaltigkeitspotential
Laut einer PwC-Studie von 2023 haben 60% der befragten mittelständischen Unternehmen erkannt, dass sie die Transformation zur Nachhaltigkeit vorantreiben müssen. Allerdings fehlt den meisten eine ganzheitliche Strategie zur konsequenten Umsetzung. Die befragten Mittelständler lassen sich, so die PwC-Studie, in ihren Nachhaltigkeitsanstrengungen vor allem von äußeren Anforderungen und weniger von inneren Unternehmenszielen leiten. Lediglich ein Drittel verfolge Nachhaltigkeitsziele, weil sie dem eigenen Selbstverständnis entsprechen.
Wettbewerbsvorteile durch Nachhaltigkeit
Durch die unzureichende Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen entgehen mittelständischen Unternehmen erhebliche Geschäftschancen. Eine Studie der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) von 2018 führt mehrere positive ökonomische Effekte von Nachhaltigkeit für Unternehmen auf. Dazu gehören höhere Effizienz, besseres Unternehmensimage, höhere Mitarbeiterzufriedenheit und größere Chancen bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter.
Die LBBW-Studie belegt darüber hinaus, dass sich Nachhaltigkeit auch auf klassische wirtschaftliche Kennzahlen positiv auswirken kann: Nachhaltig agierende Unternehmen der Konsum- und Handelsbranche konnten, laut LBBW, ihre EBIT-Marge (Earnings Before Interest and Taxes – Gewinn vor Zinsen und Steuern) steigern. Die EBIT-Marge ist im Durchschnitt 6 Prozentpunkte höher als bei den weniger nachhaltig operierenden Wettbewerbern.
Die 5 Stufen der strategischen Nachhaltigkeit
Angesichts der positiven wirtschaftlichen Potentiale von Nachhaltigkeit stellt sich die Frage, warum viele Mittelständler auf dem Weg der Nachhaltigkeits-Transformation noch nicht sehr weit sind. Vereinfacht gesagt hat das damit zu tun, dass der Weg zur Nachhaltigkeit an Mittelständler hohe strategische und operative Anforderungen stellt. Konkreter formuliert erfordert es strategischen Weitblick, den Mut zur Veränderung, sowie hohe organisatorische Disziplin und die nötigen Ressourcen, um die geplante Transformation auch umzusetzen.
Mittelständische Unternehmen befinden sich in Bezug auf ihre strategische Nachhaltigkeit auf einer der folgenden 5 Stufen:
Die folgenden Kurzprofile der 5 Stufen sind stark verallgemeinert und vereinfacht. Jedes Unternehmen ist anders und es gibt individuell unterschiedliche Ausprägungen in Bezug auf strategische Nachhaltigkeit. Die 5 Stufen dienen deswegen vor allem einer ersten groben Positionsbestimmung.
Stufe 1: Minimale strategische Nachhaltigkeit
Geschäftsfokus: rein Profit-orientiert, mit Fokus auf Effizienz und Betriebskosten; kein Fokus auf soziale und ökologische Wirkungen des Unternehmens.
Strategie: keine klar ausformulierte Strategie und kein systematischer Strategieprozess.
Governance: beschränkt auf enge Compliance im Sinne der kosteneffektivsten Weise, rechtliche Anforderungen abzudecken; kein systematischer Risikomanagementprozess.
Unternehmenskultur: stark Leistungs-und Effizienz-orientiert, geringer Stellenwert von Nachhaltigkeits-Themen, Nachhaltigkeit wird vor allem als Compliance- und Kostenfaktor gesehen.
Stakeholder-Engagement: kein systematisches Stakeholder-Engagement über anlassbezogene Interaktionen hinaus.
Daten-Management: Nachhaltigkeits-relevante Daten werden nur punktuell und isoliert erfasst, mit Fokus auf Effizienz und Kostenreduktion, beispielsweise Energieverbrauchs-Daten.
Operatives Geschäft: Nachhaltigkeits-Themen sind operativ nur relevant, wenn sie mit Effizienz und Kostenreduktion oder mit Compliance zu tun haben, außer wenn es einen hohen Kundendruck für konkrete Nachhaltigkeitsaspekte des Produkts oder der Leistung gibt.
Stufe 2: Sporadische strategische Nachhaltigkeit
Geschäftsfokus: überwiegend Profit-orientiert, mit Fokus auf Effizienz und Betriebskosten; punktuellen Nachhaltigkeitsbezüge, z.B. im Bereich Energie-Effizienz; soziale und ökologische Wirkungen des Unternehmens spielen eine untergeordnete Rolle.
Strategie: rudimentär ausformulierte Strategie und wenig systematischer Strategieprozess. Nachhaltigkeit ist kein zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie, sondern eher ein Bestandteil unter vielen.
Governance: beschränkt auf Compliance, rudimentärer Risikomanagementprozess.
Unternehmenskultur: stark Leistungs-und Effizienz-orientiert; Nachhaltigkeits-Themen sind vor allem relevant im Kontext von Effizienz und Reduktion von Verschwendung.
Stakeholder-Engagement: kein systematisches Stakeholder-Engagement, aber punktuelle Initiativen über anlassbezogene Interaktionen hinaus.
Daten-Management: Nachhaltigkeits-relevante Daten werden nur punktuell und isoliert erfasst, mit Fokus auf Effizienz und Kostenreduktion, beispielsweise Energieverbrauchs-Daten. Daten wie Energieverbrauch oder Materialverbrauch werden überwiegend in Standardprogrammen wie Excel oder einem ERP-System gemanagt.
Operatives Geschäft: Nachhaltigkeits-Themen sind operativ vor allem dann relevant, wenn sie mit Effizienz und Kostenreduktion oder mit Compliance zu tun haben; darüber hinaus werden Nachhaltigkeitswünsche von Kunden aktiv berücksichtigt und in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen aufgenommen, wenn es Umsatz sichert.
Stufe 3: Ambitionierte strategische Nachhaltigkeit
Geschäftsfokus: die Profit-Orientierung ist verbunden mit einem Fokus auf die Reduktion von Verschwendung (z. B. Energie und Rohstoffe) sowie die Verringerung von negativen sozialen und ökologischen Wirkungen des Unternehmens.
Strategie: eine ausformulierte Strategie ist vorhanden; sie wird in einem systematischen Strategieprozess regelmäßig aktualisiert; die Strategie wird hauptsächlich als Angelegenheit der Führungsebene gesehen.
Governance: umfasst aktive Compliance in Verbindung mit Antizipation zukünftiger rechtlicher Anforderungen; im Risikomanagementprozess werden Geschäftsrisiken auch im Hinblick auf ESG-Aspekte (Environmental, Social, Governance) regelmäßig betrachtet und Gegenmaßnahmen vorbereitet.
Unternehmenskultur: neben der Leistungs- und Effizienz-Orientierung haben soziale und ökologische Nachhaltigkeits-Themen einen hohen Stellenwert, was u. a. auch Themen wie Gesundheit am Arbeitsplatz und Diversität umfasst.
Stakeholder-Engagement: aktives und regelmäßiges Stakeholder-Engagement im Hinblick auf zentrale Stakeholder wie z.B. Investoren, Mitarbeitende, Kunden, Nachbarn und Behörden.
Daten-Management: Nachhaltigkeits-relevante Daten werden umfangreich erfasst, mit Fokus auf Betriebs- und Umwelt-relevante Daten wie Energieverbrauch, Wasserverbrauch, Treibhausgasemissionen und mehr.
Operatives Geschäft: Nachhaltigkeit-Themen sind operativ in den meisten Bereichen relevant; Nachhaltigkeitsaspekte von Produkten und Dienstleistungen spielen dabei eine große Rolle.
Stufe 4: Integrierte strategische Nachhaltigkeit
Geschäftsfokus: Der Fokus liegt darauf, Profite durch umfassend nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu erzielen.
Strategie: die schriftlich fixierte Strategie ist Ergebnis eines regelmäßigen systematischen Strategieprozesses, der alle Unternehmensebenen einbezieht; die Unternehmensstrategie integriert mit gleicher Priorität Pläne zum Erreichen von wirtschaftlichen und finanziellen Zielen sowie Pläne zum Erreichen von sozialen und ökologischen Zielen, um positive Wirkungen in allen ESG-Bereichen zu erzielen.
Governance: umfasst proaktive Compliance in Verbindung mit Antizipation zukünftiger rechtlicher Anforderungen; im umfassenden Risikomanagementprozess werden klassische Geschäftsrisiken und ESG-Risiken mit gleicher Priorität regelmäßig betrachtet und Gegenmaßnahmen vorbereitet.
Unternehmenskultur: Die Nachhaltigkeit von Geschäftsbetrieb, Produkten und Dienstleistungen hat für Führungskräfte und Mitarbeitende einen zentralen Stellenwert.
Stakeholder-Engagement: aktives und regelmäßiges Stakeholder-Engagement im Hinblick auf alle wesentlichen Stakeholder zu denen neben Investoren, Mitarbeitenden, Kunden, Nachbarn und Behörden auch Lieferanten und deren Zulieferer sowie Nichtregierungsorganisationen aus dem Nachhaltigkeitsbereich gehören.
Daten-Management: Nachhaltigkeits-relevante Daten werden umfangreich erfasst, wobei neben Betriebs- und Umwelt-relevanten Daten wie Energieverbrauch, Wasserverbrauch und Treibhausgasemissionen auch weitergehende Daten zu sozialen und ökologischen Wirkungen in der Lieferkette erfasst werden; die Daten werden in einem voll integrierten System gemanagt.
Operatives Geschäft: Nachhaltigkeitsaspekte von Produkten und Dienstleistungen sowie von Geschäftsprozessen haben zentrale Bedeutung für das operative Geschäft.
Stufe 5: Exzellente strategische Nachhaltigkeit
Geschäftsfokus: Der Fokus liegt darauf, durch umfassend nachhaltige Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsprozesse positive Wirkungen für Gesellschaft und Umwelt zu erzielen und dadurch genügend Profit für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu erwirtschaften.
Strategie: die schriftlich fixierte Strategie ist Ergebnis eines regelmäßigen systematischen Strategieprozesses, der alle Unternehmensebenen einbezieht; die Unternehmensstrategie priorisiert Pläne zum Erreichen von sozialen und ökologischen Zielen, um positive Wirkungen in allen ESG-Bereichen zu erzielen; Pläne zum Erreichen von wirtschaftlichen und finanziellen Zielen sind in die Unternehmensstrategie integriert.
Governance: umfasst proaktive Compliance in Verbindung mit Antizipation zukünftiger rechtlicher Anforderungen; im umfassenden Risikomanagementprozess werden regelmäßig ESG-Risiken und klassische Geschäftsrisiken betrachtet und Gegenmaßnahmen vorbereitet.
Unternehmenskultur: Die Nachhaltigkeit von Geschäftsbetrieb, Produkten und Dienstleistungen hat für Führungskräfte und Mitarbeitende einen zentralen Stellenwert. Alle Beschäftigten des Unternehmens haben den Anspruch, die Welt durch ihr wirtschaftliches Handeln besser zu machen.
Stakeholder-Engagement: proaktives und regelmäßiges Stakeholder-Engagement im Hinblick auf alle wesentlichen Stakeholder zu denen neben Investoren, Mitarbeitenden, Kunden, Nachbarn und Behörden auch Lieferanten und deren Zulieferer sowie Nichtregierungsorganisationen aus dem Nachhaltigkeitsbereich gehören. Dabei bemüht sich das Unternehmen auch, passive Stakeholder, die von der Tätigkeit des Unternehmens betroffen sind, einzubeziehen.
Daten-Management: Nachhaltigkeits-relevante Daten werden umfassend erfasst, wobei neben Betriebs- und Umwelt-relevanten Daten wie Energieverbrauch, Wasserverbrauch und Treibhausgasemissionen auch weitergehende Daten zu sozialen und ökologischen Wirkungen in der Lieferkette erfasst werden; die Daten werden in einem voll integrierten System gemanagt.
Operatives Geschäft: Nachhaltigkeitsaspekte von Produkten und Dienstleistungen sowie von Geschäftsprozessen haben zentrale Bedeutung für das operative Geschäft. Die Geschäftsaktivitäten werden vom Unternehmen als Mittel gesehen, um positive Wirkungen für Gesellschaft und Umwelt im Sinne der Unternehmensstrategie zu erzielen.
Dringender Handlungsbedarf für Unternehmen auf Stufe 1 und Stufe 2
Mittelständische Unternehmen auf Stufe 1 (minimal) und Stufe 2 (sporadisch) werden auf Dauer nicht wettbewerbsfähig sein, wenn sie nicht strategisch nachhaltiger werden. Ihnen droht, dass zentrale Stakeholder ihnen nach und nach das Vertrauen entziehen: Kunden erwarten nachhaltige Produkte und Dienstleistungen, junge Fachkräfte wollen mit ihrer Arbeit zu einer besseren Welt beitragen und Kapitalgeber werden ihr Geld bevorzugt Unternehmen mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell geben. Insbesondere Unternehmen der Stufe 1 droht damit der Entzug der „sozialen Geschäftslizenz“.
Hinzu kommt, dass zunehmend schärfere Regulierungen auf EU- und Bundes-Ebene zusätzlichen Druck in Richtung strategischer Nachhaltigkeit entfalten, der direkt oder indirekt auch den Mittelstand erfasst.
Für Unternehmen auf Stufe 1 und Stufe 2 besteht daher dringender Handlungsbedarf, ihre strategische Nachhaltigkeit in Richtung Stufe 3 und darüber hinaus zu entwickeln. Das wird Zeit, Ressourcen und Anstrengung erfordern. Doch die Mühe lohnt sich: strategische Nachhaltigkeit bietet handfeste ökonomische Vorteile und hilft, die Grundlagen für ein lebenswertes Leben auf unserem Planeten zu erhalten.
Nächste Schritte zu mehr strategischer Nachhaltigkeit
Unternehmen, die Ihre strategische Nachhaltigkeit – und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit – ausbauen wollen, empfehle ich die folgenden 3 Schritte:
Schritt 1: Bestandsaufnahme machen
Zunächst einmal sollten Sie eine Bestandsaufnahme dazu machen, auf welcher Stufe der strategischen Nachhaltigkeit Ihr Unternehmen momentan steht. Die oben erwähnten Kurzprofile der einzelnen Stufen geben Ihnen Anhaltspunkte für eine angemessene Einschätzung.
Wenn Sie unsicher sind, welche Stufe den Stand Ihres Unternehmens am besten beschreibt, sprechen Sie mich gern an – in einem kostenfreien Gespräch von ca. 30 Minuten kann ich Ihnen helfen, zu einer genaueren Einschätzung zu kommen.
Schritt 2: Plan erstellen
Um auf die nächste Stufe der strategischen Nachhaltigkeit zu kommen, brauchen Sie einen Plan. Darin sollten Sie beschreiben, was Sie bis wann erreichen wollen, und welche Ressourcen (Arbeitsstunden, externe Beratungsleistungen, Finanzaufwand) Sie brauchen, um Ihre Ziele zu erreichen.
Der Plan sollte ambitioniert, realistisch und umfassend genug sein, um loszulegen. Zu viel Zeit mit Planung zu verbringen kann jedoch schaden, da sich auf dem Weg ohnehin noch Dinge verändern werden, die Sie nicht voraussehen können. Es ist wichtiger anzufangen, als vorher die letzten Details im Plan auszutüfteln. Im Zweifelsfall reduzieren Sie Umfang und Komplexität der geplanten Maßnahmen.
Unabhängig davon, ob Sie sich Unterstützung von einem externen Berater holen, sollten Sie auf jeden Fall ein internes Kernteam für Planung und Durchführung Ihres Projekts haben.
Wenn Sie bei der Planung Unterstützung benötigen, vereinbaren Sie gern ein kostenfreies Erstgespräch mit mir.
Schritt 3: Anfangen
Warten Sie mit dem Start Ihrer geplanten Aktivitäten nicht zu lange. Im Tagesgeschäft droht Ihre Projekt für mehr strategische Nachhaltigkeit sonst unterzugehen. Idealerweise sollten Sie die vorgesehen Veränderungen so gut wie möglich in das Tagesgeschaft integrieren. Das Kernteam sollte die Fortschritte regelmäßig besprechen und vor allem auch Planabweichungen offen und lösungsorientiert diskutieren.
In der Transformationsphase von der jetzigen Stufe zur nächsten Stufe wird es Hindernisse geben, einschließlich Widerstand bei einzelnen Beschäftigten. In solchen Phasen ist es wichtig, die Motivation zu behalten und sich daran zu erinnern, warum es für die Zukunft des Unternehmens wichtig ist, die strategische Nachhaltigkeit voranzutreiben. Dabei ist es wichtig, alle Beschäftigten von Anfang an einzubeziehen und mitzunehmen.