Deutschland will bis 2045 treibhausgasneutral sein. So legt es das deutsche Klimaschutzgesetz fest. Auf dem Weg dahin kommt der Wirtschaft eine zentrale Rolle zu. Ihr Anteil an den gesamten CO2-Emissionen in Deutschland belief sich 2020 laut Zahlen des Statistischen Bundesamts auf 73 %. In absoluten Zahlen verursachten 2020 alle Wirtschaftszweige 573,2 Millionen Tonnen CO2 gegenüber 787,7 Millionen Tonnen CO2 insgesamt. Bereits 2021 stiegen die gesamten CO2-Emissionen Deutschlands auf 829,0 Millionen Tonnen.
Positiv ist, dass die CO2-Emissionsintensität in allen Wirtschaftszweigen seit Jahren sinkt: 2020 betrug sie 205 Kilogramm CO2 pro 1.000 Euro Bruttowertschöpfung. Doch für die deutsche Wirtschaft ist es noch ein weiter Weg zur Treibhausgasneutralität.
Bevor ich einen Überblick gebe, mit welchen Ansätzen und Maßnahmen speziell mittelständische Unternehmen dieses Ziel erreichen können, möchte ich zuerst einmal den Unterschied zwischen Treibhausgasneutralität und Klimaneutralität beleuchten.
Der Unterschied zwischen Treibhausgas- und Klimaneutralität
In letzter Zeit sorgten mehrere Fälle von Greenwashing für Aufsehen, in denen Hersteller ihre Produkte oder Dienstleistungen als klimaneutral deklarierten, die diesen Anspruch faktisch nicht erfüllten. So warben beispielsweise einige Gasversorger in irreführender Weise für klimaneutrales Erdgas. Seitdem findet man das Wort „klimaneutral“ immer seltener auf Produktverpackungen und auf Werbeseiten, da es kaum ein Produkt gibt, das diesen Anspruch erfüllt, selbst wenn es CO2-neutral oder treibhausgasneutral sein könnte.
Der Begriff CO2-Neutralität bezieht sich allein auf den Ausstoß von Kohlendioxid. CO2-Neutralität erreicht ein Unternehmen, indem es CO2-Emissionen von vornherein reduziert und vermeidet sowie die verbleibenden Restemissionen durch Kompensationsmaßnahmen ausgleichet. Neutralität bedeutet ein Gleichgewicht zwischen den Emission von CO2 in die Atmosphäre und deren Aufnahme aus der Atmosphäre in sogenannten Senken, wie den Meer oder Wäldern und Mooren.
Treibhausgasneutralität bedeutet, dass gar kein klimawirksames Gas freigesetzt oder jeder Ausstoß ausgeglichen wird. Diese Gase beinhalten neben CO2 auch Methan (CH4), Lachgas (Distickstoffmonoxid – N2O) und fluorierte Treibhausgase (F-Gase). Während es für CO2 neben natürlichen Kohlenstoffsenken wie Wäldern und Mooren auch technische Verfahren zum Filtern und Speichern von CO2 gibt, existieren solche Technologien bisher noch nicht für Methan oder Lachgas, was für diese Gase die Möglichkeiten zur Kompensation stark einschränkt.
Die wissenschaftliche Definition von Klimaneutralität laut IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) umfasst neben Klimaeffekten, die durch die oben genannten Treibhausgase verursacht werden, auch nicht-treibhausgasbezogene Klimaeffekte. Dazu gehören etwa die regionale Klimabeeinflussung durch den Strahlungsantrieb von Kondensstreifen sowie biophysikalische Faktoren wie die Veränderung der Rückstrahlkraft der Erde und das Einleiten von warmen Abwässern in Flüsse. Solche Faktoren müssen ebenfalls netto-null betragen oder ausgeglichen werden, um Klimaneutralität beanspruchen zu können.
Aufgrund dieser hohen Hürde empfehle ich Unternehmen, maximal CO2-Neutralität oder Treibhausgasneutralität zu beanspruchen, und auch das nur, wenn sie diesen Anspruch mit Daten und Fakten eindeutig belegen können.
5 Ansätze zum Erreichen der Treibhausgasneutralität
Für das Erreichen von Treibhausgasneutralität stehen Unternehmen zahlreiche Ansätze zur Verfügung. Unten habe ich fünf Ansätze kurz umrissen. In der Regel wird ein Unternehmen nur durch das konsequente Kombinieren und Umsetzen mehrerer Ansätze in der Lage sein, treibhausgasneutral zu werden. Vor der Planung konkreter Ziel und Maßnahmen sollte zunächst eine Bestandsaufnahme der aktuellen Treibhausgasemissionen stehen, bei der Umfang und Quellen der Emissionen ermittelt werden. Hier die Auswahl der fünf Ansätze:
1. Energieeffizienz steigern
Häufig ist der erste Schritt zur Treibhausgasneutralität die Steigerung der Energieeffizienz, da hiermit konkret kalkulierbare Kostenersparnisse verbunden sind . Unternehmen sollten dabei alle Prozesse in Produktion und Management auf Energiesparpotenziale untersuchen. Mögliche Maßnahmen:
- Energieaudits durchführen: Regelmäßige Energieaudits helfen dabei, ineffiziente Energieverbräuche zu identifizieren und Einsparpotenziale zu erkennen.
- Energiesparende Geräte und Maschinen einsetzen: Investitionen in energieeffiziente Technologien und Maschinen amortisieren sich oft schnell durch geringere Energiekosten.
- Gebäudedämmung verbessern: Eine gute Dämmung der Betriebsgebäude kann den Energieverbrauch für Heizung und Kühlung erheblich reduzieren.
2. Erneuerbare Energien nutzen
Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität. Mittelständische Unternehmen haben verschiedene Möglichkeiten, erneuerbare Energien zu nutzen:
- Eigenproduktion von Energie: Solaranlagen auf dem Firmendach oder kleine Windkraftanlagen auf dem Betriebsgelände können einen Teil des Energiebedarfs direkt vor Ort decken.
- Grüner Strom: Der Bezug von Ökostrom aus dem Netz ist eine einfache Möglichkeit, die Energieversorgung klimafreundlicher zu gestalten.
- Kombination verschiedener Quellen: Eine Kombination aus eigenproduziertem Strom und zugekauftem Ökostrom kann eine flexible und nachhaltige Lösung darstellen.
3. Emissionen reduzieren
Neben der Verbesserung der Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien sollten Unternehmen auch direkte Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen ergreifen:
- Transportwege optimieren: Durch die Optimierung von Lieferketten und Logistik können Emissionen im Transportwesen reduziert werden. Dies umfasst auch den Umstieg auf umweltfreundlichere Transportmittel.
- Digitalisierung vorantreiben: Digitale Prozesse können Papier und andere Ressourcen einsparen und helfen, den CO2-Fußabdruck verringern.
- Kreislaufwirtschaft fördern: Recycling und Wiederverwendung von Materialien können die Abfallmenge reduzieren und Ressourcen schonen, was ebenfalls den CO2-Fußabdruck verringert.
4. Kompensation unvermeidbarer Emissionen
Nicht alle Emissionen lassen sich komplett vermeiden. Daher ist die Kompensation von CO2-Emissionen eine sinnvolle Ergänzung der anderen Reduktionsmaßnahmen, sofern alle anderen Möglichkeiten vorher voll ausgeschöpft wurden:
- Zertifizierte Klimaschutzprojekte unterstützen: Investitionen in zertifizierte Klimaschutzprojekte, wie Aufforstungsprojekte oder erneuerbare Energieprojekte in Entwicklungsländern, können dazu beitragen, unvermeidbare Emissionen auszugleichen. In letzter Zeit haben einige Skandale dieses Instrument in Verruf gebracht. Das es ganz ohne nicht gehen wird, ist höchste Sorgfalt bei der Auswahl von Klimaschutzprojekten und Zertifizierungsanbietern erforderlich.
- CO₂-Zertifikate erwerben: Der Kauf von CO2-Zertifikaten bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Emissionen zu kompensieren und gleichzeitig Klimaschutzprojekte zu unterstützen.
5. Mitarbeitende und weitere Stakeholder aktiv einbeziehen
Die Einbindung der Mitarbeitenden und anderer Stakeholder ist entscheidend für den Erfolg von Treibhausgasneutralitätsstrategien. Dies kann unter anderem durch folgende Maßnahmen geschehen:
- Bewusstsein schaffen: Schulungen und Workshops zum Thema Klimaschutz können das Bewusstsein der Mitarbeitenden für nachhaltiges Handeln schärfen.
- Beteiligung fördern: Die aktive Einbindung der Mitarbeitenden in Klimaschutzinitiativen und die Förderung von umweltfreundlichem Verhalten im Arbeitsalltag stärken das Engagement für Nachhaltigkeit.
- Kommunikation und Transparenz: Eine offene Kommunikation über die Klimaziele und Maßnahmen des Unternehmens schafft Vertrauen und Akzeptanz bei Mitarbeitenden, Geschäftspartnern und anderen Stakeholdern.
- Kooperation in der Lieferkette: Für den Großteil der Unternehmen gilt, dass die meisten Treibhausgasemissionen nicht im eigenen Unternehmen sondern in der vor- und nachgelagerten Lieferkette entstehen. Diese Emissionen können durch Lieferantenauswahl und enge Kooperation entlang der Lieferkette längerfristig reduziert werden.
Fazit
Das Erreichen von Treibhausgasneutralität ist eine komplexe, aber machbare Aufgabe für mittelständische Unternehmen. Erforderlich dafür sind die Kombination von Energieeffizienzmaßnahmen, die Nutzung erneuerbarer Energien, die Reduktion von Emissionen, die Kompensation unvermeidbarer Emissionen sowie die Einbindung von Mitarbeitenden und anderen Stakeholdern. Dadurch können mittelständischen Unternehmen treibhausgasneutral werden, ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken und dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht.
Transparente Kommunikation nach innen und außen ist Teil des Weges zur Treibhausgasneutralität. Dabei gilt es, faktisch korrekt und klar verständlich zu informieren. Um den Verdacht von Greenwashing zu vermeiden, sollten Unternehmen den Begriff „Klimaneutralität” unbedingt vermeiden.
Unternehmen, die auf ihrem Weg zur Treibhausgasneutralität kompetente Unterstützung suchen, können gern ein kostenfreies Erstberatungsgespräch mit mir vereinbaren.